Veranstaltung: | Digitale Landesdelegiertenversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | KV Landau |
Beschlossen am: | 12.03.2022 |
Eingereicht: | 03.02.2022, 20:18 |
Klare Ansage für den Bodenschutz
Beschlusstext
Die Landesdelegiertenversammlung möge beschließen:
Wohnen, Gewerbe und Straßenneubau. Der Hunger nach Flächen ist enorm. Leitlinie
grüner Politik muss es sein, nicht nur für die Prosperität von Regionen zu
sorgen, sondern auch die Flächeninanspruchnahme und deren Effizienz im Auge zu
behalten und damit für den Erhalt unserer aller Lebensgrundlagen zu sorgen. Denn
unsere Böden sind eine begrenzte, wertvolle Ressource und müssen geschützt
werden. Für Natur- und Klimaschutz sowie den Erhalt unserer heimischen
Landwirtschaft brauchen wir eine Strategie, welche - unter Berücksichtigung
einer nachhaltigen Kommunalentwicklung – den Flächenverbrauch minimiert.
Wurden in Rheinland-Pfalz 2020 durchschnittlich 4,76 Hektar(1,2) pro Tag für
Siedlungsentwicklung und Verkehr neubeansprucht, betrug 2014 der
Flächenverbrauch pro Tag durchschnittlich 0,6 Hektar(3). Dies zeigt, dass wir
das bereits 2011 verankerte, rheinlandpfälzische Nachhaltigkeits-Ziel zur
Reduktion der Flächeninanspruchnahme auf unter einen Hektar(5,6) schon erreicht
hatten, aber die dauerhafte Stabilisierung auf dem niedrigen Niveau nicht
gelang. Auch der sogenannte gleitende Durchschnitt des täglichen
Flächenverbrauchs, welcher stets einen 4-Jahreszeitraum betrachtet, zeigt einen
deutlichen Trend nach oben und stieg zuletzt an auf 2,0 Hektar(3,4) . Das ist
eine deutliche, mittelfristige Überschreitung auch des Bundesziels von
umgerechnet maximal 1,4 ha/Tag(7) in RLP. Dieser Entwicklung müssen wir dringend
effektiv entgegensteuern!
Auf Landesebene wird bereits jetzt steuernd eingegriffen:
• Raum+ Monitor: Mit einem digitalen Potenzialflächenkataster wird die
Innenentwicklung erleichtert und kommunale Folgekosten greifbar gemacht.
• Schwellenwerte für Wohnbebauung, abhängig von der prognostizierten
Bevölkerungsprognose sind bereits Pflichtaufgabe.
• Förderprogramm Dorfentwicklung zur Unterstützung der Innenentwicklung im
ländlichen Raum.
Wir sehen aber, die vorhandenen Werkzeuge und Rechtgrundlagen konnten unsere
Ziele nicht sichern. Wir brauchen daher eine klare und überprüfbare Bodenschutz-
Strategie und müssen die Landes- und regionalen Raumplanungen endlich daran
ausrichten!
Auch brauchen wir einen Ausgleich für verfehlte Ziele: 2050 mit einer
unverträglich immensen Fläche in die Netto-Null-Bilanzierung einzusteigen, wäre
Augenwischerei. Jeder Hektar, der bis dahin „zu Unrecht“ beansprucht wurde, muss
auch wieder freigegeben werden.
Wir sagen:
• Bis 2030 soll der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen in
RheinlandPfalz dauerhaft durchschnittlich unter 1 ha/Tag betragen. Das bedeutet,
in seiner Summe darf er 3000 Hektar bis 2030 nicht überschreiten.
• Danach soll sukzessiv auf Netto-Null gesenkt werden, so dass spätestens 2050
der Übergang zur Flächenkreislaufwirtschaft erreicht ist, wie es bereits die
Ressourcenstrategie der EU und der Bundes-Klimaschutzplan fordern. Das bedeutet,
die Neuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen von 2030 bis 2050 darf
in der Summe 5000 Hektar nicht überschreiten.
• Um überhaupt an diesem Ziel anzukommen, muss es im nächsten
Landesentwicklungsplan enthalten sein und bindende Wirkungen auf die
nachgeordnete Raumplanung haben.
• Überschreitungen der Flächenneuinanspruchnahme seit In-Kraft-Treten des
rheinland-pfälzischen Nachhaltigkeitsziels von unter 1 ha/ Tag sind
perspektivisch auszugleichen, z.B. durch Entsiegelung oder klimaverträgliche
Umnutzung.
• Der im Landesentwicklungsplan enthaltene Grundsatz: „Innen- vor
Außenentwicklung“ muss bei der gesamten Planung stärker berücksichtigt und dazu
entsprechende Indikatoren, wie z.B. Leerstandsquoten und Versiegelungsflächen
pro Verbandsgemeinde und Kommune in einer digitalen Plattform transparent
erhoben werden.
• Die Summe der Regionalpläne muss dabei das Landesziel ergeben. Die Kontrolle
dessen werden wir intensivieren. Zielabweichungsverfahren dürfen nur in
Ausnahmefällen zugelassen und müssen mit tatsächlichen Zahlen belegbar oder
durch verifizierbare, plausible Prognosen begründet sein.
• Begründete Einwände der Fachbehörden in der Bauleitplanung zur
Risikominimierung und Gefahrenvorbeugung, z.B. von Starkregen, Erosionsschäden,
Hitzeinseln oder Waldbränden sind übergeordnet zu behandeln und zu beachten.
• Auch zukünftig werden wir Flächen in Anspruch nehmen müssen: z.B. um im Rahmen
derVerkehrswende neue Bahntrassen zu bauen. Für die Energiewende brauchen wir 2%
der Landesfläche für den Ausbau der Windkraft. Jegliche Nutzung soll dabei
flächensparsam und gut begründet erfolgen.
• Zielführend ist die Erstellung eines Landesbodenschutzkonzepts, um
vergleichbar mit Landesklimaschutzgesetz, notwendige Maßnahmen zu auszuwählen,
zu quantifizieren und zu priorisieren. Zusätzlich kann die verbleibende, noch
notwendige Flächeninanspruchnahme, auf ökologisch und landwirtschaftlich weniger
wertvolle Flächen gelenkt werden.
Das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, erreichen wir nicht allein.
Deshalbfordern wir alle politischen Ebenen auf, an dem Ziel mitzuwirken und sich
dafüreinzusetzen, unsere Böden als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen,
Tiere, Pflanzen und Organismen zu schützen.
Entscheidungen über Bau- und Gewerbegebiete werden in den Kommunen getroffen.
Besonders die derzeitigen Bemühungen, sich „Beinfreiheit“ bei der Ausweisung von
Flächen zu schaffen und Schwellenwerte zu ignorieren, machen uns Sorgen.
Kommunen sind zu fördern und zu fordern, die Ziele in Summe als Gemeinschaft zu
erreichen.
Wir unterstützen die Kommunen darin, sich im Sinne des Bodenschutzes zu
engagieren:
• Mit einem digitalen Potenzialflächenkataster wird die Innenentwicklung bereits
jetzt erleichtert und kommunale Folgekosten werden greifbar gemacht. Ergänzend
wollen wir die Kommunen bestärken, eine transparente Klimafolgenabschätzung
durch Flächenversiegelung auf den kommunalen Entscheidungsvorlagen verfügbar zu
machen.
• Ebenso müssen Kommunen nachweisen, dass eine angestrebte Entwicklung im
Innenbereichen nicht möglich ist, bevor in den Außenbereich ausgewichen werden
darf. Kontrollmechanismen in diesem Bereich, z.B. über Jahresberichte zu
Indikatoren wie regionalen Leerstandsquoten, werden wir im Sinne des
Flächenschutzes verbessern.
• Böden können Kohlenstoff und Niederschläge speichern und sind damit wichtig
für den Klimaschutz und zur Vorbeugung großer Klimakatastrophen. Für
verantwortungsvolle Bodenpolitik brauchen wir auch kommunale
Bodenschutzkonzepte. Für diese soll bei den Kommunen geworben und nach einer
Fördermöglichkeit von Landesseite gesucht werden.
Ein wichtiges Entscheidungsgremium hinsichtlich des Flächenverbrauchsziels sind
die regionalen Planungsgemeinschaften.
• Wir unterstützen die Grünen in den regionalen Planungsgemeinschaften bei ihren
Bemühungen, den Flächenbrauch zu begrenzen und den Bodenschutz bei der
Fortschreibung der Regionalpläne zu forcieren.
• Relevante Klimafunktionsflächen sollen dabei als Vorranggebiete definiert und
ausgewiesen werden. Dabei können Synergieeffekte, wie z.B. Wildtierkorridore,
regionale Biotopnetze, Grünzüge und Überschwemmungsbiete genutzt werden.
• Vorranggebiete für den Hochwasserschutz müssen unbebaut bleiben. Der teilweise
sorglose Umgang mit diesem Risiko wird ausdrücklich kritisiert.
Auf Bundesebene wird sich Rheinland-Pfalz weiterhin für die Eindämmung des
Flächenverbrauchs einsetzen und gemeinsam an wirksamen Strategien arbeiten, um
das Netto-Null Ziel zu erreichen.
• Das Baulandmobilisierungsgesetzt der alten Bundesregierung hat den Kommunen
mit §13b BauGB ein Werkzeug an die Hand gegeben, welches absolut konträr gegen
die Ziele der Innenentwicklung und des Flächensparens arbeitet. Hier fordern wir
die Bundesregierung auf, diesen Paragrafen schnellstmöglich auszusetzen und
abzuschaffen.
Begründung
(1) Statistisches Landesamt RLP, Zeitreihen Land, Nutzung der Bodenfläche 2016-2020 https://www.statistik.rlp.de/de/gesellschaftstaat/bevoelkerung-und-gebiet/zeitreihen-land/tabelle-1/
(2) Statistisches Landesamt RLP, Statistische Berichte, Nutzung der Bodenfläche zum 31.Dezember 2020, S.54, ISSN: 1430-5054 https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/berichte/A/5013/A5013_202000_1j-_K.pdf
(3) Länderinititative Kernindikatoren, D1 Flächenverbrauch, Datentabelle: Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Hektar pro Tag (Jahreswerte), https://www.lanuv.nrw.de/liki/index.php?indikator=8&aufzu=4&mode=indi
(4) Gemeinsames Statistikportal der statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Fläche für Siedlung und Verkehr, Nachhaltigkeitsindikator: Durchschnittliche tägliche Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2020 nach Bundesländern, https://www.statistikportal.de/de/ugrdl/ergebnisse/flaeche-und-raum/ffsv#6689
(5) Nachhaltigkeitsstrategie RLP, Indikatorenbericht 2021, https://mwvlw.rlp.de/fileadmin/mwkel/Abteilung_2/8206/02_Nachhaltigkeitsstrategi-e_Rheinland-Pfalz/2021_Indikatorenbericht.pdf
(6) Nachhaltigkeitsstrategie RLP, Fortschreibung 2011, http://mwvlw.rlp.de/fileadmin/mwkel/Abteilung_2/8206/02_Nachhaltigkeitsstrategie-_RheinlandPfalz/2011_Kurzfassung_Nachhaltigkeitsstrategie_Rheinland-Pfalz.pdf
(7) Klimaschutzplan 2050, S.68, https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimaschutzplan-_2050_bf.pdf *
Abruf aller Links am 03.02.2022 18:20 Uhr